Eine Seele in Ketten

Sie starrte aus dem Fenster und knetete ihre Hände. Sie fühlten sich eisig an. Ihr Atem schlug als leiser Hauch auf der Scheibe nieder. Sie atmete schnell. Das Herz, in ihr gefangen, pochte protestierend auf, als wollte es aus ihrer Brust springen. Sie verkrampfte ihre Hände und presste ihre Augen zusammen.

Im Raum war es kalt. So kalt wie er. Es roch nach ihm – sofort wurde ihr übel. Schnell öffnete sie ihre Augen und stützte sich auf der Brüstung ab. Ihr Spiegelbild starrte aus dem Glas zurück. Ein elend weißes Gesicht mit blutunterlaufenen Augen. Kein Lächeln auf den Lippen.

Er würde bald kommen, um ihre Seele zu rauben. Eine Träne bahnte sich ihren Weg über ihr Gesicht und ein Zittern erfasste ihren zerbrechlichen Körper. Hilflosigkeit und Leere übermannte sie. Sie sank in die Knie. Bilder schlugen auf sie ein.

Sie, verdammt in alle Ewigkeit. Er mit selbstgefälligen höhnischen Lächeln! Sie, auf dem Boden liegend...

Wehmütig zog sie ihre Knie an sich und schluchzte laut auf. Der Laut hallte im fast leeren Raum wider. Sie blickte kurz auf. Mit getrübten Blick sah sie zu dem friedlich aussehenden Ehebett. Ihre Augen verfinsterten sich und ihre Hände ballten sich zu Fäusten.

Wenn sie auf Vergangenes zurückblickte würde sie nichts ändern können. Mit einer schnellen Bewegung hatte sie sich erhoben. Ihr Herz raste, doch sie beachtete es nicht. Langsam drehte sie sie sich um und starrte aus dem Fenster. Die Dunkelheit grinste sie an.

Ein erstickter Schrei und ein ohrenbetäubendes Klirren erschütterte den Raum. Die Tür sprang auf.

„Jennifer!“ Da war er! Sein höhnisches Lächeln rammte ihr Dolche ins Herz. Er traute es ihr nicht zu.

Warmes Blut ran an ihren Armen herunter.

„Lass den Blödsinn, und komm zu mir“, säuselte er. Sein Aussehen war atemberaubend, doch sie erkannte die Teufelsfratze hinter seiner Fassade. Immer, wenn er sie ansah, blickte sie in ein totes Gesicht.

Er setzte sich in Bewegung und kam langsam auf sie zu. Wind fegte durch das zerbrochene Fenster und wehte ihre Haare ins Gesicht. Selbst seine Schritte auf dem Teppich ließen sie zusammenzucken. Sie klammerte sich an dem Rahmen des Fensters, den scharfen Schmerz missachtend.

„Du gehörst mir“, zischte er. Seine Stimme klang rau. Er kam näher.

Ein Schalter in ihr klappte um.

Bevor er sich versah, hatte sie sich an der Brüstung hochgezogen. Sie hielt sich an dem Fensterrahmen fest und lehnte sich gegen den stürmischen Wind. Sie wagte nicht einen Blick hinter sich, denn sie wollte ihn nie in ihrem Nacken wissen.

Sofort hielt er inne.

„Jennifer...“ In seiner Stimme vibrierte etwas warnendes. Doch der Hohn in seinem Gesicht war wie festgewachsen.

Ihre mit Splittern übersäten Finger lösten sich langsam vom Rahmen. Wärme durchflutete ihren Körper.

Sie lächelte.

Sein Gesicht entgleiste.



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