Armenstadt

 

Der Wind schickte einen warmen Hauch durch ihr schwarzes Haar. Ihre Augen schienen leerer als sonst zu sein. Langsam ging sie voran durch die dunkle Nacht. Sie hatte ganz vergessen ihre normale Kleidung wieder anzulegen, denn ihre schwarze Robe wehte hinter ihr her. Sterne glitzerten am sonst so schwarzen Himmel und der helle Sichelmond warf lange Schatten. Philomena schloss die Augen und seufzte. ‚Warum?’, fragte sie sich im Stillem.

„Philo?“ Philomena schreckte zusammen und wirbelte herum. Vor ihr stand Rupert, ebenfalls in voller Montur.

„Rupert“, antwortete sie, ihn ungewiss ansehend. Für eine Weile starrten sich die Beiden unverwandt an. Unsicherheit lag in ihren Blicken. Philomena kaute schon wieder auf ihrer Unterlippe herum, so wie sie es immer tat, wenn sie nervös wurde.

„Wie lange schon?“, fragte sie unvermittelt.

„ 2 Jahre...“, antwortete Rupert bereitwillig, was eher ungewöhnlich für ihn war.

„Dann hast du es gut verborgen“, sagte Philomena langsam. Rupert lächelte gezwungen.

„Ich musste... selbst diese Unterhaltung hier ist verboten...“

„Ich weiß“, seufzte Philomena und blickte in den Sternenhimmel. „Was ist mit Tarius?“

Rupert sah sie verwirrt an.

„Was soll mit Tarius sein? Er weiß von nichts.“ Philomenas Lippen kräuselten sich. Ein kurzer Windstoß fuhr durch ihre Haare und ihre Roben. Hinter Ruperts Blick flackerte etwas wie Furcht auf. „Weiß er es?“ Philomena seufzte.

„Sagen wir mal so – er wird es erfahren haben – Tarius ist ein Schattenweiser.“ Rupert klappte der Mund auf.

„A... aber... das ... das kann doch nicht sein! Wir hätten ihn doch schon längst sehen müssen! Ich bin seit zwei Jahren in diesem Verein!“ Philomena senkte den Blick.

„Vielleicht haben sie es gut vor dir verborgen. Damit du nichts mitbekommst...“

„Ich... aber ja... ich durfte öfters nicht mitkommen – Aaron, dieser Mistkerl, ließ mich gerne zurück, damit ich weiter trainieren konnte, wie er meinte.“ Philomena sah ihn kurz durchdringend an.

„Tendor hat der ersten Lichtweisengarde befohlen ihn mit allen Mitteln zu fangen oder zu töten.“ Rupert schluckte.

„Ich kann... Tarius nicht töten“, hauchte er.

„Ich auch nicht“, flüsterte Philomena genauso leise.

 

***

 

„Natürlich brauchen wir noch Bier, dass ist ja für euch das allerwichtigste!“ Karlos warf vorwurfsvolle Blicke auf Rupert, Philomena und Tarius, die ziemlich gelangweilt aussehend am Tisch lümmelten, um den sich die ganze Clique versammelt hatte und die nächste Feier ausdiskutierte. Leo, ein Hochgewachsener dynamischer junger Mann, und Theo, ebenfalls groß, doch weniger dynamisch und eher freundlich, diskutierten jedoch gerade ausgefallen über das letzte Wrestlingturnier und Jonef, ein eher kleinwüchsiger dicklicher Jugendlicher, der immer und überall dazwischenquakte, gab seine unnützen Kommentare zum Besten. Sie erhielten keine vorwurfsvollen Blicke von Karlos, obwohl die drei hinter Tarius am meisten in sich hinein schütteten.

„Jop“, machte Tarius, in eine andere Richtung starrend. Sie saßen zusammen in Karlos Garten. Amelie hockte auf einer Hollywoodschaukel und schwang gedankenverloren hin und her.

„Hm...“, murmelte Philomena, in einem Loch vom Tisch herumpulend. Bisher hatten sie und Rupert nicht mehr mit Tarius gesprochen, doch durch die plötzliche Cliquenkonferenz waren sie völlig überrumpelt gewesen.

„Hol ich“, waren Ruperts einzige Worte. Er grinste dabei jedoch, als wäre nichts passiert. Er hatte ja auch schon zwei Jahre Übung darin.

„... und weißte wie krass das war, als ER hinein kam?“,. rief Leo lautstark.

„Ach ja! Er!“, rief Theo. „Hat sich voll draufgebucht! Das war wirklich krass.“ Die drei lachten, was sehr dümmlich klang – zumindest in den Ohren der Mädchen – während Karlos nur genervt schaute.

„Würdet ihr mal alle ein bisschen mehr Begeisterung zeigen? Wenn, dann planen wir alle zusammen und nicht nur ich!“ Mit rot glühenden Wangen, die immer so aussahen, wenn er sich aufregte, blickte er auf die Meute herab, die alle verstummt waren.

„Ey, mach mal keinen Stress hier!“, nörgelte Leo. „Sind schon dabei.“ Er lachte schallend auf, was den anderen zeigte, dass er es nicht ernst meinte. Karlos sagte nichts, sondern sah nur resignierend drein.

Er begann wieder die Dinge aufzuzählen, die jeder mitzubringen habe. Ausnahmsweise hörten nun auch die Wrestlinginteressierten zu, wenn auch mit einem wenig begeisterten Gesichtsausdruck.

Philomena pulte weiter in dem Loch herum und achtete peinlichst genau darauf Tarius nicht ins Gesicht zu sehen. Dieser schien in einer anderen Welt zu sein, denn er sprach kein Wort. Wenn sie Rupert genau beobachtet hätte, dann hätte sie auch gemerkt, wie er ständig zu Tarius rüberschielte.

Endlich endete Karlos mit seiner Aufzählung – jeder hatte nun seine Aufgaben; ob diese auch erfüllt wurden, war eine andere Frage.

„Philomena...“, rief er, als sich schon alles zum Gehen wandte, da jeder nur noch nach Hause wollte – sei es, um sich an den Computer zu setzen oder ein Wrestlingturnier anzusehen. „Warte mal kurz – ich muss mal mit dir reden...“ Philomena warf einen kurzen verzweifelten Blick auf Rupert, der schon vorneweg geeilt war.

„Wir warten auf dich im Auto, Philo“, rief er. Philomena riss die Augen auf – mit „wir“ meinte er doch nicht etwa Tarius und er?

Philomena schluckte und wandte sich zu Karlos um. Amelie saß noch immer auf der Hollywoodschaukel, doch nun schwankte sie nicht mehr hin und her, sondern hatte angehalten und starrte interessiert auf den Boden.

„Was willst du?“, fragte Philomena, ein wenig ungeduldig klingend. Karlos maß sie mit einen langem Blick.

„Das müsstest du eigentlich wissen...“ Philomena verschränkte die Arme und hob eine Braue. Eine typische Trotzreaktion von ihr.

„Nein, tue ich nicht.“ Karlos seufzte.

„Warum hast du die Ausbildung abgebrochen?“ Das nahm Philomena für einen Moment die Luft. Hatte Sara also schon geredet! Amelie sah auf und musterte nun beide interessiert.

„Ich habe meine Gründe“, antwortete Philomena dann.

„Gründe? Du hast die deine Zukunft verbaut! Willst du im Armenviertel landen?“ Philomena zog die Brauen zusammen. Das Armenviertel war eine ganze Stadt, die von den reichen Städten und Dörfern umringt war – obwohl man die Städte auch nicht als reich bezeichnen konnte. Sie konnten die Horrorsteuern wenigstens noch bezahlen – außerdem wussten wenige, dass das Armenviertel überhaupt existierte, da die meisten nicht drauf achteten.

„Natürlich nicht!“, sagte Philomena etwas heftig. „Ich hätte meine Ausbildung nicht abgebrochen ohne Grund!“

„Und was für einer? So was ist doch verantwortungslos.“ Philomena verengte ihre Augen zu Schlitzen.

„Das geht dich nichts an!“, sagte sie und stellte erschrocken fest, dass sie genau wie Tarius klang. Also fügte sie noch schnell hinzu: „Tut mir Leid... das kann ich nicht sagen.“

„Du willst dich doch nur rausreden!“, rief der ewig misstrauische Karlos.

„Denk was du willst – ich muss los“, sagte sie abweichend. „Machs gut.“ So schnell sie konnte wirbelte sie herum und lief auf Ruperts Auto zu.

 

***

 

In der Zeit, wo Philomena die kleine Diskussion mit Karlos führte, saßen Tarius und Rupert schweigend im Auto. Unauffällig blickte Tarius ständig in den Rückspiegel, um zu sehen, wo Philomena blieb. Es war merkwürdig ihr gegenüber zu treten, nachdem, was er gesehen hatte. Rupert schwieg beharrlich und trommelte mit seinen Fingern auf dem Armaturenbrett herum. Eine ungewollte Stille breitete sich in dem VW aus.

„Was machsten heut Abend?“, fragte Rupert dann in die Stille hinein, obwohl er genau wusste, dass er selbst nicht da war.

„Ich – hab was zu erledigen“, murmelte Tarius.

„Was denn?“, fragte Rupert sich zu ihm drehend.

„Das...“

„... geht mich nichts an, ich weiß“, antworte Rupert so gar nicht Rupert-Typisch. Damit hatte er die volle Aufmerksamkeit von Tarius gewonnen.

„Warum fragst du mich dann?“ Rupert zuckte mit den Schultern.

„Weiß nicht...“ Schon klang er wieder wie der kleine Rupert, dem gar nichts interessierte.

Rupert könnte sich in Gedanken ohrfeigen. Er war einfach zu ungeschickt, um Tarius auf das leidige Thema anzusprechen. Philomena konnte das besser – sie war ja auch eine Frau.

Ebendiese kam gerade auf der Beifahrerseite an und sah Recht genervt aus. Tarius öffnete die Tür und ließ sie hinten einsteigen.

„Dieser Karlos!“, fluchte sie. „Mischt sich überall ein!“

„Was hat er denn gemacht?“, fragte Rupert, den Wagen startend.

„Hat mich gefragt, warum ich die Ausbildung abgebrochen habe!“ Wieder trat ein Schweigen ein, denn jeder der Anwesenden wusste, warum Philomena das getan hatte.

„Und... was hast du gesagt?“, fragte Rupert vorsichtig.

„Das es ihn nichts angeht“, grummelte die Dunkelhaarige mit verschränkten Armen. Sie schnaufte und blickte aus dem Fenster heraus.

„Ha!“, lachte Rupert. „Das sagt doch unser Tarius auch immer.“ Tarius grummelte nur etwas unverständliches vor sich hin.

Sie fuhren los. Tarius wohnte nicht weit von Karlos weg und so dauerte die Fahrt nur eine Minute.

„Na denn – machts gut“, sagte er, schon den Türgriff in der Hand haltend.

„Warte!“, fuhr Philomena dazwischen. Tarius hielt in der Bewegung inne. „Wir... müssen mit dir reden...“

Tarius sah Philomena mit diesem ausdruckslosen undeutbaren und unheimlichen Gesicht an, wie sie es befürchtet hatte.

„Okay… sprich…“ Philomena blickte in diese Augen, die für diesen Moment so erschreckend leer schienen. Sie schluckte.

„Tarius… ich hab dir doch gesagt, dass sich etwas grundlegendes in meinem Leben ändern wird.“ Als Antwort hob Tarius nur eine Braue. „Naja… gestern… wir… Rupert…“ Beide Brauen schossen in die Höhe.

„Rupert hat auch damit zu tun?“ Ungläubig wirkend schaute Tarius zu Rupert rüber, der teilnahmslos das Lenkrad zu polieren schien.

„Ja… du weißt?“ Nun zeigte sich eher Erstaunen in Philomenas Gesicht. Tarius sah sie wieder an.

„Das du die Anführerin der 1. Lichtweisengarde bist, ich dich töten soll und das wir hier etwas vollkommen verbotenes tun – ja, das weiß ich…“ Philomena schluckte abermals.

„Und ich weiß, dass du der Anführer der 13. Lichtweisengarde bist und ICH DICH töten soll…“

Keine Gefühlsregung zeigte sich in Tarius Gesicht.

„Aber ich weiß nicht…“, fuhr er fort, „dass er hier etwas damit zu tun hat.“ Sein Kopf ruckte wieder in Richtung Rupert.

„Er ist mir unterstellt“, murmelte Philomena, was Rupert schnauben ließ.

„Ich bin schon seit zwei Jahren in diesem Verein“, sagte er dennoch. „Mein früherer Anführer war Aaron – welcher dir sicherlich nicht unbekannt sein wird.“ Tarius starrte aus dem Fenster.

„Jaah… wir hatten die ein oder andere Begegnung.“

„Ein Kampffanatiker“, sagte Rupert. „Es wundert mich, dass sie ihn abgesetzt haben – er hat seine Arbeit immer gut gemacht…“ Philomena sagte nichts dazu. Sie wusste zu genau, wie sehr sie Aaron für diese unpassenden Ablösung hasste und wie gerne er ihr etwas antun wöllte, wenn er es nur könnte.

„Mich wundert auch, warum du für ihn eingesetzt wurdest“, mischte nun Tarius mit. „Ich kann mich nicht entsinnen dich jemals kämpfen gesehen zu haben.“

„Ich habe dich auch noch nie kämpfen gesehen“, fauchte Philomena ungehalten.

„Ich war beim Bund“, kam die trockene Antwort.

„Ich geh zum Fechtunterricht“, kam es genauso trocken zurück.

„Achso?“, schwebte die Stimme Ruperts’ zwischen die Beiden Kontrahenten. Für einen Moment kehrte Ruhe ein. Dann murmelte Tarius recht leise.

„Was auch immer dein Vorgesetzter damit bewirken wollte – Meriadanus denkt, du wärst was Besonderes und will dich um jeden Preis – Tod oder lebendig.“ Philomena blinzelte.

„Meriadanus?“

„Mein Vorgesetzter…“

„Aha…“ Philomena fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Sie war nichts besonderes sondern nur ein einfaches Mädchen, dass in eine Organisation hineingezwungen wurde, in welche sie nicht wollte.

„Tendor hat mich zur Kommandantin ernannt, weil ich nicht kämpfen wollte…“

„Warum sollte er das tun?“

„Er hat mir die Verantwortung über eine ganze Garde übertragen – ich kann keine Menschen sterben lassen und deswegen muss ich zwangsläufig mitkämpfen, um sie zu beschützen…“

„Ich habe ja schon immer gewusst, dass ein weiches Herz von Nachteil ist…“

„Danke, Tarius, sehr aufmunternd.“ Philomena blies beleidigt die Backen auf und verschränkte die Arme.

„Was machen wir jetzt?“, fragte Rupert besorgt klingend. Tarius zuckte mit den Schultern.

„Wir können nichts machen…“

„Aber…“

„Das ist halt so – wir können nichts tun…“ Tarius griff nach dem Türgriff und wollte aussteigen.

„Tarius…“, hielt ihn Philomena auf. Tarius wandte sich noch einmal, genervt aussehend zu ihr um. „Würdest du mich töten?“ Eine winzige Bewegung ging durch Tarius, welche aber nur ein guter Beobachter gesehen hätte – und das war Philomena.

„Nein…“, sagte er kurz angebunden. Dann machte er die Tür auf und sprang aus dem Auto. Ohne ein Wort des Abschieds verschwand er im Haus.

„Er ist so kalt…“, murmelte Philomena, sich auf den Beifahrersitz setzend.

„Hm“, machte Rupert, das Auto startend.

„Ich habe Angst…“

„Das haben wir wohl alle.“

Laut aufheulend fuhr das Auto los und hinterließ eine trostlose Staubwolke. Tarius sah aus dem Fenster und blickte dem weißen VW hinterher.

Er zitterte.

 

 

***

 

So vergingen die Tage – zwischen den drei Freunden schien nichts mehr so zu sein, wie es war. Tarius stürzte sich in seine Arbeit, während Philomena ihren Vorgesetzten wo sie konnte verrückt machte – und Rupert? Der tat so, als ob alles an ihm vorbeizog – er tat wie immer.

Philomena hatte die Burg von Anfang an gehasst – nun verabscheute sie sie von ganzen Herzen.

Tendor konnte überraschend aus den dunkelsten Ecken auftauchen, was Philomena mehr als nervig fand. Rupert meinte, dass man sich mit der Zeit dran gewöhnte, dass Tendor ihnen folgte wie ein unnachgiebiger Schatten. Doch der störrischen und manchmal auch zickigen Philomena passte das gar nicht in den Kram.

„Schon mal was von Privatsphäre gehört, Herr Tendor?“, fragte sie ungehalten, als dieser mal wieder urplötzlich im Übungsraum der Konzentration auftauchte und sie fragte, wie es denn mit ihrer Suche liefe.

„Es ist meine Pflicht auf meine Rekruten aufzupassen“, sagte der alte Mann sanft klingend. Er hatte seine Arme auf den Rücken verschränkt und betrachtete scheinbar gerührt die untergehenden Sonne, die durch die Fenster in den Turm schien.

Philomena verengte ihre Augen zu Schlitzen. Sie wusste, dass er nur so tat.

„Aber es ist nicht ihre Pflicht auf ihre Kommandanten aufzupassen, da diese alleine auf sich aufpassen können!“, sagte Philomena – und sie klang dabei mit voller Absicht arrogant.

Tendor hob eine Braue.

„Es freut mich natürlich außerordentlich, dass sie sich nun in Ihre Rolle eingelebt haben, aber Sie sind neu und unerfahren...“

„Sie haben mich zur Kommandantin ernannt und sind damit der Meinung, dass ich auf mich selbst aufpassen kann!“ Das nahm dem alten Mann für kurze Zeit den Wind aus den Segeln. Er zog die Brauen zusammen und betrachte Philomena noch einmal durchdringend, die im Schneidersitz auf dem Boden hockte.

„Nun... dann üben Sie weiter. Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Nacht – schließlich ist heute Ihr erster Einsatz.“ Ein kleines gemeines Grinsen schlich sich in Tendors Gesicht.

„Heute?“, rief Philomena ungläubig. „Ich kenne noch nicht einmal die Hälfte meiner Kadetten und soll HEUTE schon ausrücken?“ ‚Dieser elende Mistkerl!’, dachte sie wütend.

„Natürlich – hat es Ihnen Aaron nicht ausgerichtet?“ Tendor klang gespielt überrascht. Für einen kurzen Moment wollte Philomena diesem alten Sack an den Kopf knallen, dass Aaron sie wie die Pest hasste. Doch sie wollte ihm nicht noch einen freien Punkt auf ihrer Zielscheibe zeigen.

„Nein, er hatte nicht die Güte mir das mitzuteilen...“

„Nun – dann teile ich es Ihnen das jetzt mit: In der Armenstadt sind einige Aufständische, die es nieder zu schlagen gilt.“

„Armenstadt?“ Philomena öffnete den Mund. Sie hatte sich noch nie so richtig mit dieser Stadt auseinander gesetzt, obwohl sie wusste, dass sie existierte.

„Ja, Armenstadt – die Rebellen dort wollen in unsere Städte vordringen – was wir verhindern müssen.“ Philomena stand auf – nun konnte sie sich überhaupt nicht mehr konzentrieren.

„Wieso wird diesen Menschen der Zugang in die bessere Welt verwehrt?“, fragte sie. Tendor sah sie an, als ob sie gerade gefragt hätte, ob er mit einem Tintenfisch im Bett übernachten würde.

„Weil sie nicht dazu gehören, ganz einfach!“

„Ach... sie sind Menschen...“

„Das tut nichts zu Sache. Sie sind niedere Menschen.“ Philomena sah ihn entsetzt an. „Nun, erfüllen sie ihren Auftrag – und denken Sie immer dran – setzen sie niemals das Leben ihrer... Kadetten aufs Spiel.“ Mit diesen Worten verschwand er.

„Arschloch!“, murmelte Philomena, bevor sie sich umwandte und die andere Wendeltreppe herabstieg, die Tendor nicht benutzt hatte.

 

***

 

„Ins Armenviertel?!“ Fast über die Hälfte der 1. Lichtweisengarde sahen angeekelt aus. Niemand schien auch nur ein Fuß in diese Stadt setzen zu wollen.

„Ja...“, antworte Philomena langsam, die hinter dem riesigen Bildschirm stand, der gerade schmutzig aussehende Menschen zeigte, die brüllend ihre Waffen in die Höhe hielten... und schmutzig war eigentlich noch eine zu harmlose Bezeichnung. Man konnte kaum ihre Gesichter erkennen und ihre Haare erinnerten an die Barbaren im 16. Jahrhundert – eine Zurückentwicklung schien stattgefunden zu haben – und nur die Technik war fortgeschritten.

Die anderen der Lichtweisengarde saßen an dem schwarzen Tisch, hatten sich nach vorn gebeugt, um Philomena besser im Auge zu haben und starrten sie nur ungläubig an.

Nur Rupert blickte neutral, während Aaron gelangweilt mit seiner Pistole spielte.

„Ich geh da nicht rein!“, rief eine blonde junge Frau aufgebracht.

„Du wirst“, antwortete Philomena ruhig. „Es ist ein Befehl Tendors, den man sich nicht widersetzen kann.“ Wie gerne hätte sie das gekonnt – doch die fürchterliche Bestrafung im Nacken zu haben bereitete ihr Unbehagen – und damit ihre Kadetten ihr auch gehorchten, musste sie so tun, als ob sie ebenso bedingungslos gehorchte. Jedoch blickten ihr nun eher finstere Gesichter entgegen, als welche, die voller Euphorie in den Kampf zogen. Warum konnte man nicht im Mittelalter leben, wo die Menschen noch für etwas gekämpft hatten?

„Warum sollen wir Ihnen überhaupt gehorchen?“, benutzte ein junger Mann die förmliche Anrede. „Aaron war ein guter Anführer! Und nun wird er durch eine Frau ersetzt!“ Zustimmendes Gemurmel ertönte – jedoch mehr unter den Männern, als unter den Frauen. Philomena seufzte.

„ICH habe mir dieses Schicksal nicht ausgesucht, Thomas!“, sagte sie streng klingend.

Sie holte tief Luft und fuhr fort. „Die Armenstadt ist eine ganze Ecke weit weg. Da wir keine Autos zur Verfügung haben, nehmen wir den Mitternachtsexpress mit dem wir erstens unerkannt in die Stadt kommen und zweitens bequem die Pferde mitnehmen können.“ Die Pferde waren das „normale“ Transportmittel von Licht- und Schattenweisen. Das die Idee nicht von ihr kam, musste ja keiner wissen. Rupert hatte ihr erzählt, dass dies Aaron oft gemacht hatte, wenn sie in die Stadt gemusst haben. Die Pferde werden nie benutzt! Ändern, wenn wieder nüchtern!

„Der übliche Weg also“, grollte der Exkommandant bitterböse. Er warf einen giftigen Blick auf Rupert, sodass Philomena beschloss besser auf ihn aufzupassen. Aaron wusste bestimmt, dass Rupert ihr seine Taktik verraten hatte.

„Wie dem auch sei…“ Sie blickte noch einmal streng in die Runde. „Mitternacht seid ihr am Bahnhof von Monoco. Pünktlich!“

„Ja, Fräulein Kommandant…“, rief jemand aus der Menge. Philomena überging diese und andere spitze Kommentare einfach. Sie wandte sich um und ging nach draußen, wo sie einmal tief einatmete. Keiner ihrer Kadetten schien sie wirklich leiden zu können – mit Ausnahme vielleicht von Rupert. Sie würde es schwer haben auf ihren ersten Ausflug und sie fragte sich zum wiederholten Male, ob sie der Aufgabe überhaupt gewachsen war.

***

 

Rupert war pünktlich.

Die anderen aber nicht.

Fluchend rannte Philomena vor dem schnaufenden Zug im Kreise. Die gigantische Halle, in denen selbst um die Zeit Züge mit einer mechanischen Roboterstimme ausgerufen wurde, hatte sie sonst immer fasziniert. Doch die glänzenden Hallen mit den Dächern aus Glas, worunter sich so eine oder andere Taube verirrte, gab es schon längst nicht mehr.

Die Bahnhofshalle sah nun verdreckt und verwahrlost aus. Die Reklameschilder waren entweder mit Graffiti bemalt oder hingen schlaf herunter. Überall tummelten sich Zigarettenstummel und anderer Müll. Außerdem stank es bestialisch nach Urin. Sonst hatte der Boden aus Marmor geglänzt, doch heute sah man nicht einmal mehr, dass es Marmor war. Die ganzen Geschäfte hatten geschlossen.

Für die besser gestellten wurden natürlich die Flugzeuge zur Verfügung gestellt, doch diejenigen, die nichts hatten wurden entweder in die Armenstadt abtransportiert oder reisten von Stadt zu Stadt, um nicht aufzufallen. Dementsprechend wurden auch die Bahnhöfe behandelt.

Philomena hatte als kleines Mädchen die gigantischen und majestätischen Züge geliebt, die leise über die Schiene rumpelnd in den Bahnhof einfuhren und die Türen öffneten, um die eiligen Gäste einzuladen. Und wenn man mal auf die Züge wartete, dann fühlte man sich mit den anderen Menschen verbunden, die mitwarteten. Egal, ob das nun Säufer oder Geschäftsleute – sie waren plötzlich gleichgestellt, weil sie alle auf den Bahnhof festsaßen.

Heute liefen hier fast nur Bettler herum oder Licht- und Schattenweisen. Wobei diese eher selten anzutreffen waren.

„Nun bleib doch mal stehen, Philo“, rief Rupert der aufgebrachten Philomena hinterher, die beinahe einen Bettler umgerannt hatte, der in Lumpen gekleidet auf dem Boden saß und blind zu sein schien. Philomena wirbelte herum und funkelte Rupert wütend an. So bemerkte sie nicht, wie der Bettler hinter ihr von zwei Uniformierten gepackt und in einen ziemlich schäbig aussehenden schwarzen Zug geworfen wurde. Die Beamten, zwei Polizisten, lachten hohl und riefen dem Bettler hinterher, dass dieser Zug ihn dorthin bringen würde, wo er hingehörte.

Rupert schloss kurz die Augen und verdrängte das Bild. Er hatte es oft gesehen, wie die Armen behandelt wurden. Er wollte aber nicht daran denken. Es war nicht seine Angelegenheit.

„Die wollen mir doch zeigen, dass ich unfähig bin!“, rief Philomena, die in ihrer Wut nichts mitbekommen hatte. „Die lassen mich hier herumstehen, damit ich wütend werde und sie dann zur Schnecke mache...“

„Du bist schon wütend, Philo“, sagte Rupert nun grinsend.

„Bin ich nicht!“, schrie Philomena.

„Doooch!“, stichelte Rupert. Er machte ein paar Schritte auf sie zu und legte den Arm um sie. „Und wie du wütend bist. Nun komm schon, Philo. Die werden schon noch auftauchen – und du tust so, als wäre nichts gewesen.“ Philomena musterte ihn kurz kritisch und wand sich dann aus seiner Umarmung.

„Sie müssen lernen auf mich zu hören.“ Rupert seufzte.

„Tu, was du nicht lassen kannst.“

Der Mitternachtsexpress für die Besucher der Armenstadt fährt ein auf Gleis 3.“ , verkündete eine mechanische Frauenstimme und gleich darauf fuhr ein grüner zerkratzter Zug ein, der drei Wagons hinter sich her zog.

„Wieso fahren zwei Züge in die Armenstadt?“, wunderte sich Philomena.

„Weil der andere für die Bewohner dieser Stadt ist und der hier für die Besucher“, sagte eine kalte Stimme hinter ihr. Philomena wirbelte herum.

„Aaron!“, keifte sie sofort. Auch der Rest der Truppe erschien hinter ihm. Sie grinsten alle fies und wartenden lauernd auf ihre Reaktion. Doch da sie noch beim Erscheinen des Zuges angekommen waren, sagte Philomena nichts. Sie zog nur die Brauen zusammen und murmelte: „Danke für die freundliche Auskunft... und nun in den Zug!“

„Wie Sie befehlen, Miss!“, zischte Aaron mit zusammengekniffenen Augen und einem verächtlichen Gesichtsausdruck. Er wirbelte herum und stieg in den Zug. Die anderen folgten ihn flüsternd. Als sie alle bis auf Rupert darin verschwunden waren, schlug Philomena die Hände vors Gesicht.

„Sie hassen mich“, jammerte sie. Rupert erfasste tröstend ihre Schulter.

„Das tun sie“, sagte er weniger tröstend. Philomena funkelnde ihn an.

„In den Zug!“

„Zu Befehl!“, grinste Rupert und schon war auch er verschwunden. Seufzend folgte Philomena ihm in den stickigen Zug.

 

***

 

Schon den ganzen Abend waren die Schattenweisen in der Armenstadt stationiert. Die Aufständischen kämpften erbittert gegen sie. Man hatte nicht damit gerechnet, dass dürre hungrige und dreckige Männer und Frauen noch solche Kräfte entwickeln konnten. Vor allem konnte man nicht begreifen, woher sie die Waffen hatten – Laser, wie sich an einer besonders fiesen Verletzung eines Kadetten herausstellte – sie hatten seinen Arm einfach pulverisiert – was die Schattenweisen zum Rückzug drängte.

Sie mussten den verletzten Kadetten schocken, der sich heißer geschrieen hätte. Mit einem provisorischen Verband hatte die dreizehnte Garde alles versucht, um die Blutung zu stoppen, doch es sah schlecht für den jungen Mann aus.

Tarius wusste schon jetzt, dass er die Armenstadt definitiv nicht mochte.

Sie hatten sich zwischen Bergen von Müll versteckt. Schon das gab ihnen zu bedenken.

Die roten Roben der Männer und Frauen waren nun verschmutzt, die Haare zersaust. An den Gestank hatten sie sich inzwischen gewohnt. Doch noch nicht an die Menschen.

Sie sahen aus wie Zombis und waren überall. Auf dem Müll, unter dem Müll – sie bauten sogar Häuser aus Müll! Manchmal stolperte man unverhofft über einen Menschen, dessen Haut nur noch am Skelett anlag. Leichen. Hungertode.

Tarius war schon drei Mal hier gewesen, doch dies Mal sah es wirklich schlimm aus. Er hatte sich nie damit einverstanden erklärt, die Leute hier zu bekämpfen – er würde ihnen viel lieber helfen – doch musste er es tun. Es war sein Schicksal, er konnte nichts gegen die höhere Gewalt ausrichten, die schwere Strafen hatte. Doch wie gerne würde er sie rächen. Den man behandelte die Menschen hier wie Vieh – es erinnerte ihn an die Zeit Hitlers, in dem der Diktator die Juden in einer Stadt einpferchte und sie nicht mehr herausließ – oder Konzentrationslager baute und dort schlimmeres mit ihnen anstellte. Vielleicht wären die Menschen hier noch mit einem schnellen Tod zufrieden gewesen. Sie litten unter Krankheiten, Hunger – sie bekamen ja nur das ab, was die großen Städte übrig ließen – und das Wasser war unhygienisch. Die Ratten hatten hier ein Paradies gefunden, die von den lädierten Katzen nur ein wenig zurückgehalten wurden.

Tarius schaute bekümmert hinter dem Müllberg hervor. Niemand war zu sehen. Sie konnten also den Kadetten versorgen.

Er kehrte zu seine Truppe zurück, die sich um den jungen man gescharrt hatte.

„Wie geht es ihm?“, fragte er. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren sah auf. Cornelia Frint, eine gute Kämpferin.

„Nicht gut“, flüsterte sie. „Er braucht dringend einen Arzt. Mit der modernen Medizin wäre er schnell zu heilen, aber ohne...“ Tarius beugte sich zu dem keuchenden Mann am Boden herab. Er lag in Fieberträumen.

Die Verbände um den Armstumpf waren blutgetränkt und die Haut, die unter dem Verband hervorklaffte war verbrand oder fleischig. Auch einiges an seiner Kleidung hatte es erwischt.

„Teuflische Waffen“, murmelte Tarius.

„Ja“, sagte Kadett Goldhead, der direkt gegenüber hockte. „Laserwaffen schießen alles kurz und klein, gefährliche kleine Dinger. Wennse direkt getroffen haben, hättense ihn ganz pulverisiert – dann wär nix von ihm übrig gewesen, dass sag ich euch!“ Goldhead war ein intelligenter Kopf der Truppe, aber leider so in die modernen Waffen vernarrt, dass er die Tatsachen übersah. Tarius sammelte nur die alten Waffen – Laser verabscheute er.

„So hätten sie ihn wenigstens einiges ersparrt!“, grummelte Tarius, sich wieder aufrichtend. Die anderen starrten ihn an.

„Was heißt das...“, fragte jemand.

„Das er’s nicht überleben wird...“ Mit diesen Worten wirbelte Tarius herum und ging wieder auf seinen Posten, um nachzusehen, ob die Armenstädtler auch ja da blieben, wo sie sollten. Um die anderen kümmerte er sich nicht, die entsetzt neben dem Kadetten hockten.

Tarius konnte nicht mitfühlen.

Dazu war er zu kalt.

Zumindest gab er das vor.

 

***

 

„Was jetzt, Kommandantin?“, fragte Aaron höhnisch. Sie standen alle in dem engen Wangon und starrten nach draußen, wo eine blutrünstige Meute auf sie wartete. Philomena sah entsetzt nach draußen.

So schlimm hatte sie sich die Stadt unter der Kuppel nicht vorgestellt.

Lärmend standen etliche Menschen da draußen, mit Waffen in der Hand. Die Menschen sahen schäbiger aus, als jeder Urmensch, doch sie waren Kampfbereit. Die ersten rüttelten schon an der Tür.

Philomena sah sich schnell um.

„Wir gehen aufs Dach“, sagte sie, auf die Dachluke des Zuges deutend. Die anderen folgten ihrem Blick.

„Aufs Dach? Die Leute haben Waffen!“, rief jemand.

„Das weiß ich selber! Wer von euch beherrscht das Schutzschild?“ Philomena hatte diese Technik auch schon trainiert, doch leider beherrschte sie sie noch nicht. Man konnte mit einem Stab der Robe einen Schutzschild erschaffen, musste sich aber voll und ganz dabei konzentrieren, da die Robe, so unerklärlich das auch klang, die Gehirnströme nutzte, um etwas auszubauen – kurzum: Man stellte sich etwas vor und erschuf es. Manchmal nahmen die Schutzschilder merkwürdige Formen an...

„Ich beherrsche sie“, sagte Aaron. Seine dunklen Augen blitzen sie an. „Was sind Sie nur für eine Anführerin, die das noch nicht kann!“ Philomena kochte.

„Eine schlechte, ich weiß!“, rief sie, sehr wütend klingend. „Aber was kann ich dafür, wenn mich Tendor hier rein zwingt? Was kann ich dafür, wenn ich noch nicht einmal mit euch zu tun hatte? Gar nichts! Ich wäre jetzt viel lieber in meiner Ausbildungsschule und würde mich langweilen, als mit euch Nörglern in einem Zug zu sitzen! Und jetzt AUF DAS DACH! Und Aaron?! Der Schutzschild – du zuerst!“ Teils verwunderte, teils böse Blicke trafen sie, doch niemand sagte mehr etwas. Das würde wohl nicht lange andauern.

Die Aufständischen draußen rumorten schon gefährlich an der Tür herum. Aaron warf Philomena noch einen undefinierbaren Blick zu, schritt dann zur Dachluke und öffnete sie. Mit konzentrierten Gesicht sprang er nach oben. Kurz darauf blendete die Kadetten und die ungewollte Kommandantin ein greller Lichtblitz.

„Ihr folgt mir“, murmelte Philomena, Aaron hinterher springend. Als sie oben ankam, fand sie Aaron in höchster Konzentration vor. Er stand schon unter gefährlichen Beschuss. Sobald er auch nur sich ablenken ließ, waren sie alle verloren. Die Meute schrie nach ihren Tod.

„Auf die Schienen!“, rief sei den oben ankommenden zu. „Das sind zu viel – wir müssen sie aus den Hinterhalt angreifen – versteckt euch.“ Wie genau sie diese erbärmlich aussehenden Menschen angreifen wollte, wusste sie auch nicht. Sie kam sich völlig hilflos vor und auch ihre Befehle klangen nicht so überzeugt. Die anderen sahen sie merkwürdig an, sprangen dann vom Zug und verschwanden in die andere Richtung.

Die Aufständischen kamen nicht um den Zug herum, da noch ein zweiter im Weg stand.

„Rupert“, flüsterte sie ihrem besten Freund in dem Lärm zu. „Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Er starrte sie nur an.

„Frag Aaron“, sagte er. „Er wusste immer Bescheit.“

„Er hasst mich – er würde sich eher freuen, wenn ich versage.“ Rupert zuckte mit den Schultern. Philomena stöhnte.

„Erst mal müssen wir ihn hier herunterbekommen.“

„Wir packen ihn und schmeißen ihn mit herunter“, sagte Rupert in einer Ruhe, die Philomena erschreckte.

„Wie bitte?“

„So macht er es auch immer mit seinen Kadetten – das ist deine Aufgabe.“ Mit einem Grinsen klopfte er der verwirrten Philomena auf die Schulter und sprang dann vom Zug. Philomena wandte sich dem konzentrierten Aaron zu – er hatte die Augen geöffnet und sah sie an.

Philomena schluckte.

Sie sah noch einmal herunter auf die schreiende Meute und dann wieder auf Aaron. Langsam schritt sie um ihn herum. Sie schloss die Augen.

„Eins, zwei... drei! ACHTUNG!“ Mit einem Hetzsprung hatte sie Aaron gepackt und vom Zug geworfen. Sie Salven preschten über sie hinweg, doch das bekamen die Beiden nicht mehr mit. Philomena war eher damit beschäftigt, wie sie wohl sanft auf dem Boden aufkommen konnten. Sie drehte sich so, dass wenigstens Aaron weich fiel und landete unsanft zwischen den Schienen. Schmerzerfüllt verzog sie das Gesicht. Aaron war genau auf ihr drauf gelandet. Für einen Moment dachte sie, er wäre ohnmächtig, doch dann sah sie, wie er sich regte. Er hob den Kopf und stöhnte.

„Runter von mir!“, zischte Philomena, doch ihre Stimme klang leicht angeschlagen. Sie befürchtete schon eine Schimpftirade von ihm, was sie denn nun wieder angestellt habe, doch er stand wortlos auf und putzte sich die Kleidung ab.

„Denk ja nicht, dass das meine Meinung zu dir ändert – du bist erbärmlich, und ich werde mich schon noch rächen...“ Philomena richtete sich auf.

„Oh, nichts zu danken!“, giftete sie. Aaron wandte sich um und schritt von dannen. Mit Abstand folgte sie dem Miesmacher, wie sie ihn nun im Stillen nannte.

Doch so einfach war das nicht, denn vor ihren Augen tauchten riesige Müllberge auf, die ihr die Sicht versperrten. Sämtlichste Kadetten waren verschwunden.

„Scheiße!“, fluchte die Kommandantin.

 

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